Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Betreuung und Förderung von Kindern in Kindergärten, anderen Tageseinrichtungen und der Kindertagespflege
A. Zielsetzung
Der Gesetzentwurf verfolgt das Ziel, dass Eltern im gesamten Bundesland Baden-Württemberg keine Gebühren mehr für die Kinderbetreuung bezahlen müssen. Eine Gebührenfreiheit in Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege leistet einen wesentlichen Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit, der finanziellen Entlastung von Familien sowie der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie ist Baustein einer wirkungsvollen Strategie gegen Kinderarmut und für die Gleichstellung der Geschlechter und sorgt darüber hinaus für gleichwertige Lebensverhältnisse im ganzen Land. Die Befreiung von Gebühren, die mit diesem Gesetzentwurf ermöglicht wird, muss mit dem bedarfsgerechten Ausbau von Betreuungsplätzen sowie einer gezielten Qualitätssicherung in Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege einhergehen. Zu Maßnahmen im Sinne der Gewährleistung einer hohen Qualität gehören unter anderem: eine Fachkräfteoffensive, umfassende Sprachförderangebote, mehr Zeit für Leitungsaufgaben und gute Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen. Auskömmliche Betreuungskapazitäten, hohe Qualität und Gebührenfreiheit ergänzen sich auf diese Weise – die Kombination dieser drei Aspekte ist notwendig und finanzierbar.
B . Wesentlicher Inhalt
Der Gesetzentwurf sieht im Wesentlichen folgendes vor: Kinder sollen eine Kindertageseinrichtung oder die Kindertagespflege gebührenfrei besuchen können.
C. Alternativen
Beibehaltung der jetzigen Regelungen. D. Kosten für die öffentlichen Haushalte Es ist von Kosten in Höhe von rund 529 Millionen Euro jährlich auszugehen. Davon entfallen rund 176 Millionen Euro auf die Gebührenfreiheit im Bereich der Kinder unter drei Jahren und rund 353 Millionen Euro auf den Bereich der Kinder ab drei Jahren bis zu ihrem Schuleintritt (Drucksache 16/2736).
E. Kosten für Private
Keine.
Der Landtag wolle beschließen, dem nachstehenden Gesetzentwurf seine Zustimmung zu erteilen:
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Betreuung und Förderung von Kindern in Kindergärten, anderen Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege
Artikel 1
Änderung des Gesetzes über die Betreuung und Förderung von Kindern in Kindergärten, anderen Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege
Das Gesetz über die Betreuung und Förderung von Kindern in Kindergärten, anderen Tageseinrichtungen und der Kindertagespflege (Kindertagesbetreuungsgesetz – KiTaG) in der Fassung vom 19. August 2009 (GBl. 2009, 161, K.u.U. 2009, 68, 69), wird wie folgt geändert:
1. § 6 wird wie folgt gefasst:
„§ 6
Gebührenfreie Grundbetreuung
Um eine gebührenfreie Grundbetreuung der Kinder in einer Kindertageseinrichtung oder der Kindertagespflege im Sinne des § 1 zu fördern, unterstützt das Land die Träger dieser Einrichtungen und Kindertagespflegepersonen kostendeckend beim Erlass von Elternbeiträgen. Diese kostendeckende Unterstützung erfolgt bei einer gewährleisteten Gebührenfreiheit von der Geburt bis zum Tag vor der Einschulung des Kindes im Umfang von bis zu 35 Stunden (Grundbetreuung).“
2. Nach § 6 wird folgender § 6a eingefügt:
„§ 6a
Bemessung der Elternbeiträge
Wenn die Träger der Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflegepersonen Elternbeiträge für die Grundbetreuung oder für über die Grundbetreuung hinausgehende Betreuungszeiten, Mittagsverpflegung und sonstige Zusatzleistungen erheben, sind diese so zu bemessen, dass der wirtschaftlichen Belastung durch den Besuch der Einrichtung sowie der Zahl der Kinder in der Familie angemessen Rechnung getragen wird. Für die Erhebung von Elternbeiträgen durch kommunale Träger der Einrichtung gelten an Stelle von Satz 1 die Regelungen des Kommunalabgabengesetzes.“
3. § 8c wird wie folgt gefasst:
„§ 8c
Förderung der Betreuungsangebote durch das Land
Das Land unterstützt die Gemeinden und örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei der Bereitstellung eines bedarfsgerechten Betreuungsangebots in Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege durch Zuweisungen nach Maßgabe des Finanzausgleichsgesetzes. Verzichten die Träger von Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflegepersonen im Sinne des § 6 auf die Erhebung von Elternbeiträgen, erhalten sie auf Antrag einen Ausgleich in Höhe des nicht erhobenen Elternbeitrags vom Land. Die Antragstellung beim Land erfolgt für alle Träger und Kindertagespflegepersonen über die Gemeinden. Das Land gewährt den Gemeinden den beantragten Ausgleich, den diese wiederum an die Träger und Kindertagespflegepersonen weiterleiten.“
Artikel 2 Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
Der Gesetzentwurf verfolgt das Ziel, dass Eltern im gesamten Bundesland Baden-Württemberg keine Gebühren mehr für die Kinderbetreuung bezahlen müssen. Eine Gebührenfreiheit in Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege leistet einen wesentlichen Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit, der finanziellen Entlastung von Familien sowie der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie ist Baustein einer wirkungsvollen Strategie gegen Kinderarmut und für die Gleichstellung der Geschlechter und sorgt darüber hinaus für gleichwertige Lebensverhältnisse im ganzen Land.
Gute Bildung soll allen Kindern unabhängig von ihrer Herkunft und den finanziellen Möglichkeiten ihrer Familien von Beginn an zugänglich sein. Die Grundlage für eine erfolgreiche Bildungsbiographie wird bereits in der frühkindlichen Bildung gelegt und nicht erst in der Grundschule. Je früher ein Kind seinen Fähigkeiten und Bedarfen entsprechend gefördert wird, desto besser ist dies sowohl für das betroffene Kind als auch für die Gesellschaft als Ganzes. Dabei muss sowohl eine hohe Qualität der Angebote als auch der gebührenfreie Zugang sichergestellt werden.
Derzeit entscheidet der Wohnort darüber, ob und in welcher Höhe Gebühren für den Besuch einer Kindertageseinrichtung oder der Kindertagespflege anfallen. Nicht alle Familien können sich die Elternbeiträge leisten, diese müssen sich dann – womöglich aus rein finanziellen Gründen – gegen die Kinderbetreuung und das frühkindliche Bildungsangebot entscheiden. Gleiche Chancen und gleiche Startbedingungen für alle und überall kosten Geld. Dafür soll zukünftig das Land aufkommen.
Baden-Württemberg steht anderen Bundesländern mit Blick auf Regelungen zur Gebührenfreiheit deutlich nach. So wurden in anderen Bundesländern die Gebühren für die Kinderbetreuung bereits vollständig oder teilweise abgeschafft. Berlin verzichtet als erstes Bundesland komplett auf Gebühren für die Kinderbetreuung. Unter anderem in Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz gibt es Regelungen, die eine teilweise Gebührenbefreiung vorsehen. Die Gebührenfreiheit für den Besuch einer Kindertageseinrichtung oder der Kindertagespflege ist gerade in Baden-Württemberg besonders wichtig, weil der Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft hier weiterhin stark ausgeprägt ist.
Die gebührenfreie Kinderbetreuung bedeutet auch eine finanzielle Entlastung der Familien. Eltern müssen teilweise bis zu 15,5 Prozent ihres Nettoeinkommens für Kinderbetreuung ausgeben. Einkommensschwache Familien sind dabei trotz der mancherorts vorhandenen sozialen Staffelung der Elternbeiträge überdurchschnittlich hoch belastet, wie eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung belegt. Die Gebührenfreiheit in der frühkindlichen Bildung ist damit auch Kernelement einer wirkungsvollen Strategie gegen Kinderarmut. Beispielsweise entlastet sie Alleinerziehende, die finanziell oft schlechter gestellt sind, und fördert somit die gesellschaftliche Teilhabe und die Bildungschancen von Kindern aus diesen einkommensschwachen Familien.
Eltern sollten nicht arbeiten müssen, nur um die Betreuungskosten für ihre Kinder bezahlen zu können. Ein qualitätsvolles und gebührenfreies Betreuungsangebot soll die Berufstätigkeit, insbesondere auch die von Frauen, befördern. Der Gesetzentwurf verfolgt daher das Ziel, dass nicht länger das Gehalt eines Elternteils – allzu häufig das der teilzeitbeschäftigten Mutter – mitunter vollständig für die Kinderbetreuung ausgegeben werden muss. Hohe Gebühren konterkarieren auf diese Weise nämlich nicht nur die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern auch Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter.
Aktuell können es sich lediglich wohlhabende Kommunen leisten, eine gebührenfreie Kinderbetreuung anzubieten. Das Land soll dafür Sorge tragen, dass Kindertageseinrichtungen und die Kindertagespflege nirgendwo in Baden-Württemberg Elternbeiträge verlangen müssen. Dafür muss es den Gemeinden die dafür erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung stellen. Durch die finanziellen Mittel des Landes ist es dann auch kleineren und finanzschwachen Kommunen möglich, gebührenfreie Kinderbetreuung zu gewähren. Damit wird der ländliche Raum gestärkt, der dadurch für junge Familien an Attraktivität gewinnt. Der Gesetzentwurf verbindet somit familien-, gleichstellungs- und bildungspolitische Elemente miteinander und trägt dem Strukturwandel Rechnung. Die Gebührenfreiheit, die mit diesem Gesetzentwurf ermöglicht wird, muss mit dem bedarfsgerechten Ausbau von Betreuungsplätzen sowie einer gezielten Qualitätssicherung in Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege einhergehen. Zu Maßnahmen im Sinne der Gewährleistung einer hohen Qualität gehören unter anderem: eine Fachkräfteoffensive, umfassende Sprachförderangebote, mehr Zeit für Leitungsaufgaben und gute Arbeitsbedingungen. Auskömmliche Betreuungskapazitäten, hohe Qualität und Gebührenfreiheit ergänzen sich auf diese Weise – die Kombination dieser drei Aspekte ist notwendig und finanzierbar.
B. Einzelbegründung
Zu Artikel 1– Änderung des Gesetzes über die Betreuung und Förderung von Kindern in Kindergärten, anderen Tageseinrichtungen und der Kindertagespflege
Zu Nummer 1
§ 6 formuliert den Willen, dass alle Kinder in Baden-Württemberg gebührenfrei eine Kindertageseinrichtung sowie die Kindertagespflege besuchen können. Davon unberührt besteht der in § 24 SGB VIII festgelegte Anspruch auf einen Betreuungsplatz weiter. Hat das Kind einen Betreuungsplatz, soll dieser unabhängig vom Alter des Kindes im Rahmen der Grundbetreuung gebührenfrei zur Verfügung stehen. Die Grundbetreuung in Baden-Württemberg wird auf bis zu 35 Wochenstunden festgelegt, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. Die Träger der Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflegepersonen können über diese Grundbetreuung hinausgehende Betreuungszeiten und Zusatzleistungen anbieten.
Zu Nummer 2
§ 6a regelt die Bemessung der Elternbeiträge für Grundbetreuung und Zusatzleistungen. Zusatzleistungen sind zum Beispiel die Mittagsverpflegung, zusätzliche pädagogische Angebote zur Sprachförderung, musikalischen und künstlerischen Früherziehung, Ausflüge oder Sportangebote. Die Höhe der Beiträge soll so bemessen sein, dass diese Angebote für alle Kinder zugänglich sind und für die Familien nur zu geringen finanziellen Belastungen führen.
Zu Nummer 3
§ 8c stellt klar, dass das Land die Kommunen bei der Umsetzung der gebührenfreien Grundbetreuung kostendeckend finanziell unterstützt. Diese finanzielle Verantwortung ist Voraussetzung dafür, dass die Realisierung eines bedarfsgerechten und gebührenfreien Betreuungsangebots in Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege nicht von der Haushaltslage der einzelnen Städte und Gemeinden abhängt, wie es mit Blick auf die Gebühren für die Kinderbetreuung bislang der Fall ist. Verzichten die Träger der Kindertageseinrichtungen oder die Kindertagespflege auf Elternbeiträge, erhalten sie auf Antrag einen Ausgleich in Höhe des nicht erhobenen Beitrags vom Land. Die konkrete Ausgestaltung der Ausgleichszahlungen wird in der Gemeinsamen Finanzkommission festgelegt. Die Antragstellung beim Land erfolgt für alle Träger und Kindertagespflegepersonen über die Gemeinden. Das Land gewährt den Gemeinden dann den beantragten Ausgleich, den diese wiederum an die Träger und Kindertagespflegepersonen weiterleiten.
Zu Artikel 2
Die Bestimmung regelt das Inkrafttreten